Hermann Scharf ist auf eigenen Wunsch zum 31. Dezember als Lebenshilfe-Geschäftsführer ausgeschieden. Seit 1992 hat er die Lebenshilfe im Landkreis geprägt.
(Bericht von Volker Fuchs aus der Saarbrücker Zeitung / St. Wendler Teil / 3. Januar 2021)
„De Baba kommt“: Der junge behinderte Mann freut sich sichtlich, geht auf Hermann Scharf zu und umarmt diesen. Scharf lacht und drückt sein Gegenüber: „Mei Gudder“. Diese Szene, vor einigen Jahren bei einem Besuch der Tagesförderstätte erlebt, hat sich bei dem Beobachter im Gedächtnis eingebrannt, zeigt sie doch, wie liebevoll der Umgang des Lebenshilfe-Geschäftsführers mit den ihm anvertrauten Menschen war.
28 Jahre lang war Hermann Scharf Geschäftsführer der Lebenshilfe St. Wendel. Ende vergangenen Jahres ist er auf eigenen Wunsch ausgeschieden. Sein Nachfolger ist der bisherige Leiter der Wirtschaftsförderung St. Wendeler Land, Hans-Josef Scholl (wie kurz berichtet).
„Es waren fast 30 bewegende, schöne und lehrreiche Jahre. Von Freude bis Leid habe ich alles erleben dürfen“, blickt der 59-jährige Oberthaler zurück. Die Geschäftsführung abzugeben, „das fällt mir unendlich schwer“. Aber: „Alles hat seine Zeit.“ Mit Hans-Josef Scholl habe man einen guten Nachfolger gefunden, zudem unterstütze er die Lebenshilfe noch ein Jahr lang als Mitarbeiter.
Hermann Scharf war der erste hauptamtliche Geschäftsführer der Lebenshilfe. Zum 1. September 1992 trat er seinen Dienst an. Scharf hatte nach der Höheren Handelsschule Groß- und Einzelhandelskaufmann bei der Firma Pelz gelernt, hatte dort sieben Jahre lang gearbeitet, wechselte 1986 zur WVW Wasser- und Energieversorgung Kreis St. Wendel und dann zur Lebenshilfe St. Wendel.
Die Lebenshilfe im Landkreis hatte sich 1966 gegründet. Ein ehrenamtlicher Vorstand stemmte die ganze Arbeit, was auf Dauer nicht mehr zu leisten war. 1992 sei die Lebenshilfe eine kleine Einrichtung gewesen. Es habe Aufbruchsstimmung geherrscht, erinnert sich Scharf. So beschäftigte 1992 die Kreisvereinigung 43 Mitarbeiter, betreute behinderte Menschen aus dem St. Wendeler Land in einer Tagesförderstätte mit Freizeitgruppen und einer Frühförderstelle. Aktuell arbeiten bei der Lebenshilfe knapp 800 Menschen, trägt sie allein im Landkreis St. Wendel Verantwortung für 1500 Behinderte. Das Angebot ist breit gefächert. Es reicht von inklusiven Kinderkrippen und Kindergarten über die Tagesförderstätte und Unterstützungsangebote für Familien bis hin zu Wohnheimen.
Im Rückblick erinnert sich Hermann Scharf an einige Meilensteine. So wurde 1993 in der Urweiler Mühle das erste Wohnheim eröffnet. Hier gab es dann auch nach einer Psychiatrie-Reform erstmals eine therapeutische Wohngruppe, schwer behinderte Menschen wurden nicht mehr zentral in Merzig untergebracht, sondern dezentral. Für Scharf ein großer Erfolg: „Liebe und Engagement, das hat sich gezeigt, sind stärker als Medikamente und Ketten.“
Stolz sei er auch auf die inklusive Kindertagesstätte und Krippen. Behinderte und nicht-behinderte Kinder werden hier gemeinsam betreut. „Das ist Lernen für das Leben“, unterstreicht Scharf. „Stolz bin auch darauf, einer der Väter des Wendelinushofes zu sein.“ Es sei großartig, was aus dem Projekt einer grünen Werkstätte für Behinderte auf dem ehemaligen Paterhof geworden sei.
Viel getan hat sich in den fast 30 Jahren auch beim Thema Wohnen. Die Lebenshilfe unterhält drei Wohnheime für Behinderte, hat unlängst in einen An- und Umbau kräftig investiert. Wohnen sei aber viel differenzierter geworden, reiche bis zum selbstbestimmten Wohnen. Bei dieser Form leben behinderte Menschen soweit es geht selbstständig.
Seit Jahren liegt ein weiterer Schwerpunkt der Lebenshilfe auch bei der ambulanten Jugendhilfe. Scharf: „Es ist wichtig, dass wir uns um Familien kümmern und diese unterstützen. Familie ist unser wichtigstes Bindeglied. Familie ist Heimat.“
2019 hat die Lebenshilfe die gemeinnützige Tochtergesellschaft Nordsaarland Werkstätten (NSW) gegründet, die die Geschäfte des Tiefkühlkost-Herstellers Paulus in Merzig und Rehlingen-Siersburg übernommen hat, eine anerkannte Werkstatt für Behinderte. Diese Werkstatt auszubauen, ist laut Scharf eine weitere wichtige Aufgabe.
In diesen Tagen des Abschieds erinnert sich Scharf gerne an Weggefährten, die ihn unterstützt und geprägt haben. Sei es sein aktueller Geschäftsführer-Kollege Peter Schön, sei es der früh verstorbene Mit-Geschäftsführer Klaus Schreiner oder der Lebenshilfe-Vorsitzende Bernhard Müller. Aber auch viele Mitarbeiter, „die sich weit mehr einbringen als sie müssten. Dafür bin ich sehr dankbar.“
Hermann Scharf ist 2001 zum ersten Mal als CDU-Kommunalpolitiker in den saarländischen Landtag eingezogen. Bis auf eine Wahlperiode als Bundestagsabgeordneter gehört er seither dem Landtag an, ist dort ein ausgewiesener Experte für Sozialpolitik. Diese Arbeit möchte er über die aktuelle Amtszeit hinaus fortsetzen: „Ich will bei der nächsten Wahl noch einmal antreten.“
Aber auch die Lebenshilfe wird ihn nicht loslassen. Noch ein Jahr lang unterstützt er diese als Mitarbeiter. Dann werde er sich ehrenamtlich mit einbringen. Scharf: „Einmal Lebenshilfe, immer Lebenshilfe.“